9, Fluor (F)

Fluorine, lat. fluere = fließen

Das Element Fluor:

         
  H He  
  O F Ne  
  S Cl Ar  
         
 
   
   
   
   
   
   
   
Natürliche Entstehung von Fluor (Nukleosynthese): Fluor hat mit 19 Nukleonen nur ein einziges stabiles Isotop und ist das zweitleichteste Reinelement. Der Ablauf der Nukleosynthese für dieses Elementes lag lange Zeit im Dunkeln; man nimmt jedoch heute an, das so genannte Wolf-Rayet-Sterne des WN-Typs die Hauptproduzenten des seltenen Elementes sind. Hierbei müssen sowohl Stickstoff-Kerne als auch freie Protonen und Heliumkerne in größeren Konzentrationen zugegen sein. Das entstehende Fluor muss jedoch schnell an die Oberfläche des Sterns transportiert werden, da es sonst rasch durch Neutroneneinfang zu Neon-20, bzw. durch weitere α-Anlagerung zu Sauerstoff-16 oder Neon-22 abgebaut wird.[6]

Nukleosynthese des Fluor in Wolf-Rayet-Sternen des WN-Typs:

1. Vorprozess: Neutronenerzeugung:
13C + α → 16O + n + 2,22 MeV

2. Vorprozess: Protonenerzeugung:
14N + n14C + p + 0,63 MeV


Nukleosynthese des Fluor aus Stickstoff:

14N + α 18F + 4,42 MeV
18F → 18O + β+ + 0,63 MeV
18O + p15N + α + 3,98 MeV
15N + α → 19F + 4,01 MeV

Abbau des Fluor durch Folgeprozesse (häufig):

19F + n → 20F + 6,60 MeV
20F → 20Ne + β- + 7,03 MeV

19F + α → 22Ne + p + 1,67 MeV

19F + p → 16O + α + 8,11 MeV

Vorkommen von Fluor: Fluor ist im Universum aufgrund der schwierigen Bildungsbedingungen vergleichsweise selten, nimmt man seine Atommasse als Maß. So kommen auf 25.000 Sauerstoff-Atome gerade einmal 1 Fluor-Atom. Absolut besteht die Durchschnittsmaterie des Universums nur zu 0,4 mg/kg aus dem Element (Rang 50 aller Nuklide, Rang 24 bezogen auf die Elemente).

Auf der Erde ist Fluor demgegenüber stark angereichert, da es sich in deren Entstehungszeit mit vielen anderen Elementen zu schwerflüchtigen Verbindungen umgesetzt hat, die in der Entstehungszeit unseres Sonnensystems in den planetaren Nebeln kondensiert sind. So ist das Verhältnis zwischen Sauerstoff zu Fluor etwa 1 : 1770, in absoluter Konzentration 585 mg/kg der Erdkruste: Fluor ist damit das neunthäufigste Element in der Kruste, in Bezug auf die Erdhülle das achtzehnthäufigste (280 mg/kg).

Hauptsächlich kommt es als Calciumfluorid vor (Flussspat, Fluorit). Ebenfalls weit verbreitet ist der Fluor-Apatit, ein fluorhaltiges Calciumphosphat (Ca5(PO4)3F). Weitere fluorhaltige Minerale mit untergeordneter Bedeutung sind Kryolith (Eisstein, Na3AlF6), Sellait (Magnesiumfluorid, MgF2) oder Topas (Al2(OH|F)2[SiO4]).

Wichtige Fluor-Mineralien

Flussspat (Fluorit, CaF2)[1]

Fluorapatit (Ca5(PO4)3F)[2]
Fluor-Gewinnung:
Fluor kann nicht aus anderen (natürlichen) Verbindungen chemisch gewonnen werden, da es selbst das elektronegativste Element ist. Es kann daher nur elektrochemisch gewonnen werden. Dies geschieht ausschließlich aus Fluorwasserstoff und Kaliumfluorid. Fluorwasserstoff wird dabei aus Flußspat (CaF2) gewonnen, in dem dieses mit konzentrierter Schwefelsäure versetzt wird. Kaliumfluorid erhält man durch Umsetzung von Flusssäure mit Kalilauge. Wasserfreier Fluorwasserstoff und Kaliumfluorid werden dann im Verhältnis 3 : 1 gemischt, wobei ein Salz resultiert, welches einen Schmelpunkt von 68°C hat. Diese Schmelze wird dann bei 70°C einer Elektrolyse (Spannung: 8-12 V, Stromstärke: 10-15 kA) unterzogen, wobei an der Anode elementares Fluor (neben etwas Fluorwasserstoff als Verunreinigung), an der Kathode elementarer Wasserstoff gebildet werden. Dabei dient als Kathodenmaterial die Wanne aus Monelmetall, als Anode eine graphitfreie Koks-Elektrode. Die Elektrolyse-Produkte werden durch Kammern voneinander getrennt abgeleitet, wobei das Fluor noch an Natriumfluorid vom Fluorwasserstoff befreit werden muss. Auf diesem Wege erhielt 1886 auch Henri Moissan das erste elementare Fluor.
Schema Fluor-Darstellung[3]

Im labortechnischen Maßstab kann man Fluor durch thermische Zersetzung von Kaliumhexafluoromanganat(IV) bei 150°C gewinnen:

K2MnF6 + E → 2KF + MnF4
2 MnF4 + 225 kJ → 2 MnF3 + F2
Chemie von Fluor: Fluor ist das Startglied der Gruppe der Halogene, und das reaktivste chemische Element überhaupt. In allen Verbindungen ist das Fluor negativ polarisiert. Es reagiert mit allen Elementen, mit Ausnahme von Helium und Neon. Selbst mit Argon, Krypton, Xenon, Platin und Gold werden Verbindungen gebildet. Es gibt nur wenige Materialien, die mit Fluor aufgrund Passivierung nicht durchgreifend reagieren: Nickel und Monelmetall - eine Legierung, die aus 65% Nickel, 33% Kupfer und 2% Eisen besteht, und sehr korrosionsbeständig ist - widersteht in der Kälte durch Fluoridschichtbildung dem elementarem Fluor, weswegen das Gas in Behältnissen aus diesen Metallen gelagert werden kann. Selbst bei tiefen Temperaturen (-250°C) reagiert es noch explosionsartig mit Nichtmetallen, wie Wasserstoff und Schwefel zu Fluorwasserstoff (HF) bzw. Schwefelhexafluorid (SF6). Nichtmetallhydride werden von elementarem Fluor vollständig umgesetzt, wobei neben Fluorwasserstoff das entsprechende Nichtmetallfluorid entsteht:

Beispiele für Reaktionen von Nichtmetallhydriden mit Fluor:

2 H2O + 2 F2 → O2 + 4 HF + 521,6 kJ
2 NH3 + 3 F2 → N2 + 6 HF + 1548 kJ
H2S + 4 F2 → SF6 + 2 HF + 1746,5 kJ
PH3 + 4 F2 → PF5 + 3 HF + 2419,7 kJ



Silicium wird von trockenem Fluor nicht angegriffen, jedoch genügen schon Spuren von Wasser, um auch hier eine Reaktion in Gang zu setzen, wobei Siliciumtetrafluorid gebildet wird. Mit Ausnahme von Teflon werden von Fluor auch organische Strukturen angegriffen und zerstört. Auch hier laufen die meisten Reaktionen unter Feuererscheinungen (im Falle von Feststoffen oder Flüssigkeiten) oder gar explosionsartig (bei Reaktion mit gasförmigen Stoffen) ab. Alle Fluoride, mit Ausnahme von Argon- und Kryptonfluorid sind exotherm gebildete Verbindungen.

Charakter der Fluoride: Fluoride, die mit auch nur mäßig elektropositiven Elementen gebildet werden, deren Oxidationsstufe nicht höher als 3 ist, sind in der Regel ionisch aufgebaute (salzartige) Verbindungen. Einzige Ausnahme: Bortrifluorid ist, weil die 3 Fluoratome das kleine Boratom vollständig umhüllen und dadurch dem Molekül nach allen Seiten eine negative Partialladung geben, gasförmig. Höher koordinierte Fluoride oder Fluoride von Nichtmetallen haben in der Regel kovalenten Charakter, und sind leichtflüchtig.

Auffallend inert ist das Schwefelhexafluorid (SF6), in welchem beispielsweise Natrium ohne Reaktion geschmolzen werden kann. Das Gas ist - von seiner in höheren Konzentrationen erstickend wirkenden Eigenschaft abgesehen - ungiftig.

Besonders aggressiv hingegen in die Wasserstoffverbindung des Fluors, der Fluorwasserstoff, HF. Er hat einen Siedepunkt von 19,5°C, und ist damit bei Raumtemperatur gerade gasförmig. Seine wässrige Lösung ist die Flusssäure, eine klare, stechend riechende, sehr giftige Flüssigkeit. Sie ist in der Lage, Glas und Gesteine anzugreifen (unter Bildung von gasförmigen Siliciumtetrafluorid, SiF4). Die meisten Metalle werden von Flusssäure angegriffen, wobei bei einigen infolge Fluoridschichtbildung die Reaktion nicht durchgreifend ist. In Verbindung mit Salpetersäure (ähnlich dem Königswasser) löst Flusssäure dagegen fast alle Metalle auf, sogar die dem Königswasser widerstehenden Metalle Niob und Tantal.

Durch die Polymerisation von Kohlenstofftetrafluorid (CF4) erhält man Teflon, einen hochbeständigen Kunststoff, der chemisch sehr inert ist. In Teflongefäßen kann z.B. elementares Natrium bis zum Schmelzen erhitzt werden, ohne dass es zu einer Reaktion kommt. Aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung reagiert es bei mäßig hohen Temperaturen auch mit Fluor oder Fluorwasserstoff nicht. Erst beim Erhitzen oberhalb 400°C zersetzt es sich zu teils hochtoxischen Produkten (wie z.B. Fluorphosgen, COF2).

3D-Modelle wichtiger Fluorverbindungen

Teflon, PTFE (Polytetrafluorethen)

Schwefelhexafluorid, SF6

Fluorwasserstoff, HF

Siliciumtetrafluorid, SiF4

Xenonhexafluorid, XeF6

Frigen 11(Trichlorfluormethan, CFCl3)


Als Halogen reagiert Fluor gegenüber elektropositiveren Elementen ausschließlich in der Oxidationsstufe -1. Da alle Elemente elektropositiver sind, ist dies die einzig bekannte von Fluor. Auch im HOF, der "Hypofluorigen Säure" (die korrekter als Hydroxylfluorid zu bezeichnen ist) liegt Fluor in der Oxidationsstufe -1 vor, während die Hydroxylgruppe deutlich positiviert ist: Bei der Hydrolyse entsteht daher neben Wasserstoffperoxid Fluorwasserstoff.
Physikalische Besonderheiten von Fluor bzw. von seinen Verbindungen:
  • Das Schwefelhexaflorid hat eine Dichte von 6,63 g/L bei Normaldruck und 0°C. Es ist also rd. fünfmal schwerer als Luft, und verhält sich daher - frisch ausgegossen - wie eine Flüssigkeit (ähnlich Kohlendioxid). So kann man leichtere Gegenstände auf dem Gas schwimmen lassen. Eingeatmet erzeugt es - quasi als Gegenstück zum Helium - eine tiefe Stimme. Von Versuchen, das Gas einzuatmen muss jedoch dringend abgeraten werden, da es dadurch zu Erstickungsanfällen kommen kann: Schwefelhexafluorid erschwert durch seine hohe Dichte das Ausatmen von Kohlendioxid, was zu einem Schock und Atemstillstand führen kann.
Verwendung von Fluor und seinen Verbindungen : Elementares Fluor wird in der technischen Chemie überall dort eingesetzt, wo die Fluorierung mit Fluorwasserstoff nicht ausreicht. Die weitaus größte Menge des Fluors wird zur Umsetzung zu Schwefel-, und Uranhexafluorid benötigt.

Wesentlich wichtiger sind die Fluor-Verbindungen:
  • Teflon, Polytetrafluorethylen als Kunststoff mit vielen einzigartigen Eigenschaften: PTFE ist sehr reaktionsträge, und wird weder von Säuren, Laugen noch oxiderend oder reduzierend wirkenden Substanzen bei Raumtemperatur angegriffen. Darüberhinaus hat PTFE eine sehr niedrige Oberflächenspannung, weswegen fast keine Materialien auf dem Kunststoff haften bleiben. Die Gleiteigenschaften entsprechen denen von nassem Eis auf nassem Eis. Auch der Temperaturbereich für den Einsatz von PTFE ist von -270°C bis über 260°C sehr groß.

  • Kryolith, Natriumhexafluoroaluminat (Na3AlF6) ist ein wichtiges Flussmittel bei der Aluminiumherstellung: Es senkt als Zusatz von 50 kg/t Bauxit deren Schmelzpunkt auf 950°C. Das Element Fluor hat aufgrund der Eigenschaft dieses Minerals auch seinen Namen: Lat. "fluere" bedeutet "fließen".

  • Schwefelhexafluorid hat wegen seiner hohen Ionisierungsenergie und seiner Eigenschaft, freie Elektronen binden zu können wichtige Bedeutung als Isoliergas in der Hochspannungstechnik. Früher wurde das schwere Gas auch zum Füllen von Autoreifen benutzt. Allerdings ist das Gas als stärkstes Treibhausgas bekannt, weswegen solche Anwendungen aus Umweltschutzgründen mittlerweile verboten sind. Das Gas sublimiert bei -50,8°C.

  • Uranhexafluorid wird in der Kerntechnik zur Trennung der Uranisotope voneinander benutzt: Dabei nutzt man den Effekt, dass 235UF6 eine um 1,3% geringere Dichte als 238UF6 hat. Durch mehrtausendfaches Zentrifugieren kann daher eine Fraktion mit 3% U-235 erhalten werden. (Natürliches Uran enthält lediglich 0,7% U-235). Uranhexafluorid sublimiert bei 56,5°C. Man erhält die weiße, leichtflüchtige Sustanz in zwei Schritten: Durch Auflösen von Urandioxid in Flusssäure erhält man zunächst Urantetrafluorid (UF4; grüne Kristalle), die mit elementarem Fluor zu Uranhexafluorid weiter fluoriert werden.

  • Ammoniumfluorid und Natriumfluorid werden Zahncremes zugesetzt, da man Fluoriden eine kariesverhindernde Wirkung zusagt (siehe auch unter "Sonstiges").
Wichtige Fluor-Verbindungen, die technische Anwendung haben:

Teflontiegel[3]

Uranhexafluorid[4]

Kryolith (Na3AlF6)[5]
Sonstiges: Giftigkeit von Fluoriden: Elementares Fluorgas hat alleine schon dank seiner starken Ätzwirkung - jedoch auch physiologisch - eine starke Giftwirkung. Gleiches gilt auch für die löslichen Fluoride und in besonderer Weise den Fluorwasserstoff. Vergiftungserscheinungen treten beim erwachsenen Menschen ab etwa 250 mg Fluorid-Zufuhr auf, und äußern sich in Durchfällen, Übelkeit und Erbrechen - in schweren Fällen treten Krämpfe, Herz- und Nierenversagen (unter Umständen auch mit Todesfolge) auf. Chronische Fluorid-Vergiftungen führen zu einer Fluor-Osteoporose (Fluoridbedingte Knochenversprödung) und Rheumatismen. Dagegen wird die Toxikologie von Fluoriden im Spuren-Bereich (Milligramm-Mengen) seit Jahrzehnten sehr kontrovers geführt: Während eine Partei den Standpunkt vertritt, dass eine tägliche Einnahme geringer Fluorid-Mengen (geringe Menge bedeutet 1,5 - 2 mg/kg) keine gesundheitlichen Schäden verursache und sogar der Verbesserung der Zahngesundheit dienlich sei (Kariesprophylaxe), vertritt die Gegenpartei den Standpunkt, dass auch Spuren von Fluoriden krebsfördernde und auch fruchtschädigende Wirkungen hätten. Die kariesverhindernde Wirkung stünde dabei in keinem Verhältnis zu diesen Schäden - vielmehr sei die Verwendung von Fabrikzuckern und Auszugsmehlen an der Kariesverbreitung schuld. In den USA wird dem Trinkwasser Fluorid zwecks Kariesprophylaxe zugesetzt. Dies ist in Deutschland (nach der Trinkwasserverordnung, welche einen Grenzwert von 1,5 mg/L Fluorid vorsieht) nicht zulässig.

Die Halogen-Wasserstoffe im Überblick:

  Fluor Chlor Brom Iod Astat
Formel: HF HCl HBr HI HAt
Molmasse:
(g/mol)
20,01 36,46 80,91 127,91 (212,02)
Smp (K): 190 158 186 222 ?
Sdp (K): 293 188 206 237 ?
Dipolmoment
(μ)
1,826 1,109 0,827 0,448 ~0,06
pK-Wert 3,14 -6 -8,7 -9,5 ?
ε(2HX → 2H+ + X2 + 2e-)
bei pH=0
+3,053 V +1,358 V +1,065 V +0,535 V ~+0,25 V


Quellen: [1] Bildquelle: Eigenes Bild, mit freundlicher Genehmigung von Ute Höhlein, Villa Lapis, Hersbruck.

[2] Bildquelle: Wikimedia Commons. Urheber: Alcinoe. Das Bild wurde vom Urheber als gemeinfrei veröffentlicht.

[3] Bildquelle: Eigenes Bild. Dieses Bild darf unter den Bedingungen der Creative Commons Lizenz frei verwendet werden. Bei Verwendung bitte einen Link auf mein Web-Angebot setzen.

[4] Bildquelle: Bild einer US-Behörde, welches in Ausübung des Dienstes angefertig wurde. Solche Bilder sind gemeinfrei, wenn es nicht ausdrücklich anders angegeben ist.

[5] Bildquelle: Wikimedia Commons. Urheber: Didier Descouens. Das Bild ist unter den Bedingungen der Creative Commons Lizenz freigegeben.

[6] Webangebot Pro Physik, Artikel: Fluorhaltige Sterne.