88, Radium (Ra)

lat. radius = Strahl

Das Element Radium:

         
  Cs Ba La  
  Fr Ra Ac  
   
         
 
   
   
   
   
   
   
   
Natürliche Entstehung von Radium (Nukleosynthese): Da das langlebigste Radium-Isotop eine Halbwertszeit von rd. 1600 Jahren hat, kommt es nicht mehr primordial gebildet, sondern in wägbaren Mengen ausschließlich als Zerfallsprodukt aus Uran-238 heraus vor. Es liegt mit diesem im säkularen Gleichgewicht dergestalt, dass 1 Atom Radium-226 auf 2,78 Mio. Atome Uran-238 kommt. Folglich enthalten eine Tonne Natururan mit einem 238U-Anteil von rd. 99,2%, gerade einmal 353 mg Radium.

Daneben existieren in der Natur infolge der Zerfallsreihen von Thorium und Uran noch drei weitere Radium-Isotope, und zwar ausgehend von der Thorium-Zerfallsreihe die Isotope Ra-228 und Ra-224, sowie von der Uran-Actinium-Reihe ausgehend noch das Isotop Ra-223.

Die Radium-Radiogenese:
223Ra-Genese:
(Uran-Actinium-Reihe)

235U → 223Ra + 3α + 2β- + 16,41 MeV
(Summe aller Zerfälle)

223Ra → 219Rn + α + 5,98 MeV
(T½ = 11,42 d)

224Ra-Genese:
(Thorium-Reihe)

232Th → 224Ra + 2α + 2β- + 11,77 MeV
(Summe aller Zerfälle)

224Ra → 220Rn + α + 5,79 MeV
(T½ ~ 3,63 d)

226Ra-Genese:
(Uran-Radium-Reihe)

238U → 226Ra + 3α + 2β- + 16,37 MeV
(Summe aller Zerfälle)

226Ra → 222Rn + α + 4,87 MeV
(T½ = 1602 a)

228Ra-Genese:
(Thorium-Reihe)

232Th → 228Ra + α + 4,08 MeV
(primäres Zerfallsprodukt)

228Ra → 228Ac + β- + 0,046 MeV
(T½ = 5,75 a)



Vorkommen von Radium: In der Erdhülle (Atmosphäre, 16 km Erdkruste und Weltmeere) sind durchschnittlich 1,08•10-9 g/kg Radium enthalten (Rang 84). Es ist damit nach Wismut, Thorium, Uran und Protactinium das fünfthäufigste radioaktive Element auf der Erde (und, da es im radioaktiven Gleichgewicht mit Uran steht, sind auch im Universum die relativen Verhältnisse zu anderen Elementen ebenso zu betrachten).

Neben 226Ra kommen in der Natur noch 228Ra und 224Ra (beides Zwischenglieder der Thorium-Zerfallsreihe) und 223Ra (Zwischenglied der Uran-Actinium-Zerfallsreihe) in kleinsten Spuren vor. Streng genommen muss man auch das Isotop 227Ra zu den natürlich vorkommenden zählen; es wird allerdings nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 4•10-11% aus 231Th heraus gebildet (ebenfalls Uran-Actinium-Zerfallsreihe).

Radium kommt folglich in Spuren in Uranerzen (Uranpechblende, Uraninit) vor; 1 Tonne Pechblende enthalten gerade 340 Milligramm Radium (226Ra). Noch seltener kommt es in Thorium-haltigen Mineralien vor: 1 Tonne Thorit (ThO2) enthalten knapp 0,36 Milligramm Radium (228Ra) im ThO2-Anteil. Zur Ausbildung eigener Mineralien ist die Halbwertszeit des Radiums zu kurz; daher kommt es logischerweise nicht vergesellschaftet mit seinen leichten Homologen Barium und Strontium vor.

Radiumhaltige Mineralien

Thorianit, ThO2[1]

Uraninit, Pechblende, UO2[2]


Radium-Gewinnung:
Radium wird aus den Nebenprodukten bei der Urangewinnung durch schrittweise Anreicherung gewonnen:

Nach Abtrennung des so genannten Yellow-Cake (Ammoniumdiuranat) werden aus der verbleibenden Lauge durch Fällung mit Iodid oder Thiocyanat Blei und Silber abgetrennt. Dem Filtrat wird dann Bariumchlorid zugesetzt, woraufhin mit Schwefelsäure Radiumsulfat und Bariumsulfat zusammen gefällt werden. Nach Separation dieses Niederschlages kann wird das Sulfat-Gemisch bei 1400°C geglüht und dann mit Chromsäure versetzt, wodurch Barium- und Radiumchromat gebildet werden. Diese kann man recht gut durch fraktionierende Kristallisation voneinander trennen.

Elementares Radium erhält man aus dem Radiumchromat durch Überführen desselben in Radiumoxid (Glühen), welches dann analog der anderen Erdalkalioxide mittels Pidgeon-Prozess zu Radium reduziert werden kann.

Alternativ kann aus Radiumchlorid auch eine Elektrolyse mit einer Quecksilberkathode (und Kohlenstoff-Anode) durchgeführt werden. Das Quecksilber wird dann durch Erhitzen auf 400 bis 700°C entfernt, wodurch das elementare Radium zurückbleibt.

Schema: Radium-Gewinnung[1]
Chemie von Radium: Die Chemie des radioaktiven Elementes ähnelt sehr der des Barium.

Radium reagiert mit Wasser lebhaft zur starken Base Radiumhydroxid, welches noch besser in Wasser löslich ist, als das Bariumhydroxid. An feuchter Luft kann sich das unedele Metall auch selbst entzünden.

An trockener Luft läuft das Metall dunkel unter Radiumoxid (RaO) und Radiumnitrid-Bildung (Ra3N2) an. Auch beim Verbrennen entstehen diese beiden Verbindungen.

2Ra + O2 → 2RaO + 1046 kJ


Radiumsalze reagieren - vorausgesetzt das Anion ist nicht hydrolytisch gespalten - in wässriger Lösung neutral.

Mit Halogenen, Schwefel, Selen und Phosphor reagiert das Metall beim Erhitzen unter Feuererscheinungen zu entsprechenden binären Verbindungen. Diese sind dem Barium in ihren Eigenschaften ähnlich.

Das Löslichkeitsverhalten der Salze schließt sich an jenes der Bariumsalze an: So sind Radiumchromat, Radiumiodat und Radiumsulfat noch schwerer in Wasser löslich als die entsprechenden Bariumverbindungen. Radiumhydroxid und Radiumfluorid sind leichter löslich als Bariumhydroxid bzw. -fluorid.

Dass Radiumsalze Wasser bereits in geringen Mengen zum Kochen bringen sollen, stimmt nicht. Um 1 Liter Wasser binnen einer Stunde durch die Abwärme des radioaktiven Zerfalls zum Kochen zu bringen, sind ca. 700g Radium nötig[3]. Allerdings zersetzen Radiumsalze das Wasser, so dass Sauerstoff und Wasserstoff entsteht (Radiolyse).
Physikalische Besonderheiten von Radium bzw. von seinen Verbindungen: Früher wurde für die Aktivität eines radioaktiven Stoffes die Einheit Curie verwendet. Benannt nach Marie und Pierre Curie entsprach sie der Aktivität von 1 g Radium. Heute ist die SI-Einheit Becquerel in Gebrauch (Zerfälle pro Sekunde). Zwischen beiden Einheiten gilt folgender Zusammenhang:

1 Curie = 3,6581•1010 Becquerel
1 Becquerel = 2,73366•10-11 Curie


Radiumverbindungen zeigen bei energetischer Anregung (Verdampfen, Verbrennen) wie alle Erdalkaliverbindungen außer Magnesium und Beryllium eine typische, karminrote Flammenfärbung (Banden bei 676,3 nm und 649,8 nm)


Imagination der Flammenfärbung[1]
eines Radiumsalzes (Fotomontage)


Verwendung von Radium und seinen Verbindungen :
  • Roentgenstrahlenquelle. Früher wurde Radium als Roentgenstrahlen-Quelle in Roentgengeräten verwendet. Im Ersten Weltkrieg entwickelte die Pionieren der Radioaktivität und Entdeckerin des Elements, Marie Curie, einen mobilen Roentgenwagen, um damit verwundete Soldaten an der Front medizinisch untersuchen zu können. Heute ist Anwendung des Radiums als Roentgenstrahlenquelle jedoch bedeutungslos geworden, da es wesentlich billigere Radionuklide gibt, die den gleichen Zweck erfüllen. Diese werden in Kernreaktoren hergestellt.

  • Leuchtstoffe und die Geschichte der Radium-Girls. Durch die Entdeckung, dass radioaktive Stoffe in der Lage sind, phosphoreszierende Substanzen ohne weitere energetische Anregung dauerhaft zum Leuchten zu bringen, entwickelte man Leuchtstoffe, die Radiumsalze enthielten ("Undark", "Radiomir"). Seit 1915 setzte man diese Farben technisch ein, um Leuchtzifferblätter für Uhren, Lichtschalter, Puppenaugen oder Fischköder herzustellen. In den USA malten Arbeiterinnen mit feinen Pinseln diese Leuchtfarben auf die Ziffernblätter der Uhren auf, und spitzten die Pinsel durch Anfeuchten mit dem Mund immer wieder an (US Radium Corporation). Dadurch nahmen sie ständig geringe Mengen Radium auf, und kontaminierten sich mit der Radioaktivität. Ihren Arbeitgebern war sehr wohl bekannt, welche Gefahren von diesen Leuchtfarben ausgingen, doch sie nahmen dies auf Kosten der Arbeiterinnen billigend in Kauf. Viele der später als "Radium-Girls" bezeichneten Frauen wurden in der Folgezeit daher schwer krank und starben oftmals in jungen Jahren, meist an Leukämie. Eine Gruppe dieser Arbeiterinnen verklagten ihre Arbeitgeber auf Schadenersatz und schufen damit einen Präsedenzfall: Es war das erste Mal in der Geschichte, dass Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber wegen gesundheitlicher Folgen der Arbeitsbedingungen verklagten. Infolgedessen wurden diese Anwendungen verboten.

  • Heilmittel. Infolge einer Begeisterungswelle Anfang des 20. Jahrhunderts für Radioaktivität und dem fatalen Irrglauben, dass diese Strahlung gesundheitsfördernd sei, wurden unzählige Lebensmittel mit Radiumsalzen versehen. Erst dadurch, dass der schwerreiche Industrielle Eben Byers 1932 infolge des Konsums des Mineralwassers "Raditho" starb, wurden diese Präparate vom Markt genommen und verboten.

Radium und seine Verwendungen

Radiumpräparate im Dunkeln[4]

Leuchtende Ziffernblätter.[5]

"Radithor"-Heilwasser.[6]

Marie Curie in einem Roentgen-Wagen.[6]

US Radium Corporation[6][7]


Quellen: [1] Bildquelle: Eigenes Bild. Dieses Bild darf unter den Bedingungen der Creative Commons Lizenz frei verwendet werden. Bei Verwendung bitte einen Link auf mein Web-Angebot setzen.

[2] Bildquelle: Wikimedia Commons. Urheber: Jedrzej Pelka. Das Bild wurde vom Urheber als gemeinfrei veröffentlicht.

[3] Charlotte Kerner: Frauen, die den Nobelpreis bekamen. Seite 91.

[4] Bildquelle: Wikimedia Commons. Urheber: Mauswiesel. Das Bild ist unter den Bedingungen der Creative Commons Lizenz freigegeben.

[5] Bildquelle: Wikimedia Commons. Urheber: Arma95. Das Bild ist unter den Bedingungen der Creative Commons Lizenz freigegeben.

[6] Dieses Bild ist älter als 70 Jahre, weswegen seine Schutzdauer mittlerweile abgelaufen ist.

[7] Bildquelle: Bild einer US-Behörde, welches in Ausübung des Dienstes angefertig wurde. Solche Bilder sind gemeinfrei, wenn es nicht ausdrücklich anders angegeben ist.