85, Astat (At)

Astatine, gr. astatos = instabil, unbeständig

Das Element Astat:

         
  Te I Xe  
  Po At Rn  
  Lv Ts Og  
         
 
   
   
   
   
   
   
   
Natürliche Entstehung von Astat (Nukleosynthese): Primordial gebildetes Astat zerfällt innerhalb weniger Tage vollständig weiter zu Blei oder Wismut, je nach Isotop. Astat kommt im Universum (fast) ausschließlich als Zerfallsprodukte von Uran in Form dreier Isotope (At-215, At-218, At-219) vor. Das langlebigste Astat-Isotop ist At-210, welches jedoch nicht natürlich vorkommt.

In Anbetracht dessen, dass die Neptunium-Zerfallsreihe bis auf Bi-209 auf der Erde ausgestorben ist, sowie der Tatsache, dass der Verlauf der Thorium-Zerfallsreihe nur zu verschwindend geringer Wahrscheinlichkeit über das Nuklid At-216 verläuft, verbleiben drei Astat-Isotope, die aus dem Zerfall von Natururan in sehr geringen Mengen vorkommen. Im Abschnitt "Vorkommen" liegt eine Dokumentation einer Rechnung bereit, die zur Aufstellung einer Zusammensetzung eines natürlichen Isotopengemisches dieser drei - ja stets miteinander vorkommenden! - Astatisotope geführt hat. Auf diese Arbeit beziehe ich mich hier:

Astat-215 und Astat-219 entstehen infolge des Zerfalls des Uran-235 als äußerst kurzlebige Zwischenprodukte: Das unmittelbare Mutternuklid von At-215 ist das Po-215, aus welchem es allerdings nur mit einer Wahrscheinlichkeit von λ=2,3•10-5% gebildet wird. Beim At-219 ist es das Fr-223, aus welchem es seinerseits mit einer Wahrscheinlichkeit von λ=0,006% gebildet wird. Berücksichtigt man den Umstand, dass auch Francium-223 bereits auf einem Seitenast der Uran-Actinium-Zerfallsreihe liegt - es wird mit 1,38% Wahrscheinlichkeit aus Ac-227 gebildet, ergibt sich eine Gesamtwahrscheinlichkeit für das Entstehen von At-219 aus U-235 von λ=(1,38%*0,006%)=8,28•10-5%. At-215 hat eine Halbwertszeit von 0,10 ms, At-219 eine von 56 s. Im radioaktiven Gleichgewicht kommen daher - berücksichtigt man die Verhältnisse der HWZ von U-235 und At-215 und die Zerfallswahrscheinlichkeit über den Seitenast - auf 9,65•1026 Uranatome (entsprechen 1603 mol oder 376 kg Uran-235) ein Atom At-215, bzw. auf 4,79•1020 Uranatome (entsprechen 0,79 mmol oder 187 mg Uran-235) ein Atom At-219. Der Uran-235-Anteil am Gesamtisotopengemisch mach allerding nur rd. 0,7% aus, so dass diese Verh&aml;ltnisse nochmals um den Faktor 143 geringer sind, bezieht man sie auf das Verhältnis der Astatatome auf alle Uranatome. Diese Umstände sind in obiger Angabe bezüglich des Verhältnisses bereits berücksichtigt!

Astat-218 entsteht als häufigstes der drei natürlich vorkommenden Isotope durch Zerfall aus Uran-238 heraus (Uran-Radium-Zerfallsreihe). At-218 hat eine Halbwertszeit von 1,5s, und entsteht mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,02% aus Po-218 heraus (welches wiederum auf dem Hauptzweig der Zerfallsreihe liegt). Daraus ergibt sich ein Verhältnis von 5,78•1020 Uranatomen auf 1 Astat-218-Atom (entsprechen 0,96 mmol oder 228 mg Uran-238).

Die Astat-Radiogenese:
215At-Genese:
(Uran-Actinium-Reihe)

235U → 215At + 5α + 3β- + 30,05 MeV
(Summe aller Zerfälle)

215At → 211Bi + α + 8,18 MeV
(T½ = 0,10 ms)

218At-Genese:
(Uran-Radium-Reihe)

238U → 218At + 5α + 3β- + 27,09 MeV
(Summe aller Zerfälle)

99,9%: 218At → 214Bi + α + 6,83 MeV
0,1%: 218At → 218Rn + β- + 2,88 MeV
(T½ = 1,5 s)

219At-Genese:
(Uran-Actinium-Reihe)

235U → 219At + 4α + β- + 20,82 MeV
(Summe aller Zerfälle)

97%: 219At → 215Bi + α + 6,32 MeV
3%: 219At → 219Rn + β- + 1,57 MeV
(T½ = 56 s)



Vorkommen von Astat: Seltenstes Element: Da die natürlich vorkommenden Astat-Isotope allesamt sehr geringe Halbwertszeiten aufweisen, ist das Element das seltenste aller Elemente mit Z<94, wobei das Gesamtvorkommen auf der Erde zu jedem beliebigen Zeitpunkt auf ca. 150-170 mg geschätzt wird. Laut anderer Quellen seien es zwischen 25 und 40g, was aber bei einem mittleren Vorkommen von Uran in der Erde mit 0,014 mg/kg in Anbetracht des säkulären Gleichgewichtes, und der Tatsache, dass alle drei Astat-Isotope auf Seitenzweigen der Zerfallsreihen liegen, noch dazu Halbwertszeiten zwischen 1•10-4 s (At-215) und 56s (At-219) haben, zu viel sein muss.

Die Daten bezüglich des gesamten irdischen Astatvorkommens wurden nicht aus der Literatur übernommen, sondern berechnet.[5]

Vorkommen von Astat

Uraninit, Pechblende, UO2[2]

Astat-Gewinnung: Astat kann aufgrund seiner Seltenheit nicht auf selektiven Wegen aus irgend einer beliebigen, natürlichen Quelle gewonnen werden; es wird ausschließlich durch Beschuss von Bi-209 mit Alphateilchen heraus erbrütet. Dabei entstehen die relativ langlebigen Isotope At-209, At-210 und At-211, je nach verwendeter Energie:


Die künstliche Astat-Synthese:

209Bi + α + 20,3 MeV → 211At + 2n
209Bi + α + 28,1 MeV → 210At + 3n
209Bi + α + 35,2 MeV → 209At + 4n


Man erhält dabei Mikrogramm-Mengen des hochradioaktiven Elements. Das entstandene Astat wird im Stickstoffstrom bei 450 bis max. 600°C abdestilliert und an einer wassergekühlten Pt-Scheibe niedergeschlagen. Dann kann es weiter verarbeitet werden.

Radioaktivität: 1 μg At-211 hat eine Aktivität von 76,2•109 Bcq. Dies entspricht der Aktivität von 2500 Tonnen Kaliums mit natürlicher Isotopenzusammensetzung! Die anderen beiden Astat-Isotope sind vergleichbar stark radioaktiv.

Astat-Gewinnung

Kernreaktor[6]

Chemie von Astat: Astat hat die Elektronenkonfiguration [Xe] 6s2 4f14 5d10 6p5, womit ihm noch ein Elektron zum Erreichen des (Radon-)Edelgaszustandes fehlt. Dem Trend innerhalb der Hauptgruppe folgend, gilt auch beim Astat, dass Verbindungen in seiner höchsten Oxidatiosstufe (+7) sehr starke Oxidationsmittel sind (stärker als die Perbromate), und die Oxidationsstufe +5 die stabilste ist. Gegenüber Wasserstoff und elektropositiveren Elementen betätigt es die Oxidationsstufe -1, wobei die Astatide noch leichter oxidierbar sind, als die Iodide. Astat ist insgesamt noch metallischer in seinem chemischen Verhalten, als dies beim Iod der Fall ist. Astat ist wie auch Iod in organischen Lösemitteln deutlich löslich.

Tracer-Experimente wurden in zahlreicher Form an dem Element durchgeführt, so dass man - betrachtet man die Radioaktivtät und seine geringe Halbwertszeit - vergleichsweise viel über Astat weiß.

Verhalten in Wasser, Astat-Ionen: Astat ist wie Iod in Wasser löslich, wobei naturgemäß keine quantitativen Angaben hierzu gemacht werden können. Es disproportiniert zu Astatid und Hypoastatit, wobei letztgenannte Spezies zur Ausbildung echter At+-Kationen neigt:

At2 + 2H2O → At- + HOAt + H3O+
HOAt + H3O+ → H2OAt+ + H2O
H2OAt+ + 7H2O → At(H2O)8+

Astat-Kationen lassen sich als schwerlösliches Sulfid als At2S ausfällen. Damit schließt sich das Astat enger an seinen beiden linken PSE-Nachbarn Polonium und Wismut an.
Astatid-Ionen sind noch stärkere Reduktionsmittel als Iodid-Ionen; sie werden bereits von Luftsauerstoff zu elementarem Astat oxidiert.

Astatwasserstoff unterscheidet sich in seinen Eigenschaften deutlich vom Iodwasserstoff, da in ihm der Wasserstoff bereits eine negative Partialladung trägt. Beim Lösen in Wasser zersetzt er sich zum Element (und Wasserstoff). Anschließend disproportioniert das entstehende Astat zu Astatid und Hypoastatit (siehe oben), wodurch nur die Hälfte des in HAt enthaltenen Astats mit Silber(I)-Ionen gefällt werden kann. Silber(I)astatid ist noch schwerer löslich als Silber(I)iodid.[3]

2HAt → H2↑ + At2

Astatid-Ionen können durch Reduktion von elementarem Astat mit SO2 (analog den Iodiden aus Iod) erhalten werden. Sie bilden schwerlösliche Thallium(I)- und Silber(I)-Salze.

Interhalogene zwischen Astat, Iod, Brom und Chlor wurden ebenfalls durch Tracer-Experimente dargestellt und beschrieben, so etwa AtI, AtBr und AtCl. AtI kann aus einer wässrigen Iod-Astat-Lösung heraus gewonnen werden; AtBr und AtCl durch Umsatz von At2 mit Brom bzw. Iod in wasserfreien Systemen.[4]

Astat-Sauerstoff-Säuren: Es sind alle Astat-Sauerstoff-Säuren wenigstens in Form von Anionen bekannt. Wohlbemerkt sind alle Erkenntnisse aus Tracer-Experimenten heraus gewonnen worden.

Hypoastatige Säure entsteht bei der Disproportion von elementarem Astat in Wasser, vorzugsweise in alkalischer Lösung. Sie ist noch schwächer als die Hypoiodige Säure, und im tiefen pH-Bereich so leicht protonierbar, dass sie unter Abspaltung eines Wassermoleküles zu echten Astat-Kationen zerfällt. Dies ist bei der Hypoiodigen Säure auch bei tiefsten pH-Werten nicht der Fall.

Astatige Säure ist im Unterschied zur Iodigen Säure ebenfalls bekannt. Es wurden die Ionen AtO+, AtO2- erzeugt und nachgewiesen, so dass man in diesem Fall auch besser von Astat(III)oxidhydroxid sprechen sollte, da sie einen ausgeprägten amphoteren Charakter zu haben scheint. Sie kann durch Oxidation von Astat mit elementarem Brom erhalten werden.

Astatsäure ist gut bekannt und leicht durch Oxidation von Astat mit Hypochlorit oder Peroxodisulfat zugänglich. Sie soll der Iodsäure sehr ähnlich sein.

Perastatsäure ist nur als AtO4--Ion im alkalischen oder neutralen pH-Bereich bekannt; im sauren Bereich oxidiert AtO4- das Wasser zu Sauerstoff und geht dabei zu AtO3- über. Als freie Säure liegt sie sehr wahrscheinlich in der Orthoform H5AtO6 (Orthoperastatsäure) vor, und ist naturgemäß noch schwächer als die Orthoperiodsäure.[4]
Verwendung von Astat und seinen Verbindungen :
  • Nuklearmedizin: Astat-211 (T½=7,2 Stunden) wird kommerziell genutzt, und zwar in der Nuklearmedizin zum Bestrahlen bestimmter Tumore. Hier wird seine Ähnlichkeit zu Iod ausgenutzt, und die Tatsache, dass es nicht mit hochenergetischer β--Strahlung, sondern nur über α-Strahlung weiter zerfällt. α-Partikel (Heliumkerne) haben im Gewebe eine viel kleinere Reichweite als β--Partikel, weswegen sie schonender auf gesundes Gewebe wirken.
Quellen: [1] Bildquelle: Wikimedia Commons. Urheber: Karelj. Das Bild wurde vom Urheber als gemeinfrei veröffentlicht.

[2] Bildquelle: Wikimedia Commons. Urheber: Jedrzej Pelka. Das Bild wurde vom Urheber als gemeinfrei veröffentlicht.

[3] Quelle: Wikipedia (englisch): Hydrogene astatide

[4] Quelle: Wikipedia (englisch): Astatine

[5] Quelle: Eigene Berechnung.  Berechnung des irdischen Astatvorkommens und dessen Verteilung

[6] Bildquelle: Bild einer US-Behörde, welches in Ausübung des Dienstes angefertig wurde. Solche Bilder sind gemeinfrei, wenn es nicht ausdrücklich anders angegeben ist.