84, Polonium (Po)

Polen

Das Element Polonium:

         
  Sb Te I  
  Bi Po At  
  Mc Lv Ts  
         
 
   
   
   
   
   
   
   
Natürliche Entstehung von Polonium (Nukleosynthese): Polonium-210. Primordial gebildetes Polonium zerfällt nach kurzer Zeit weiter zu Blei, Wismut oder Thallium - legt man einen kosmologischen Zeitmaßstab bei der Betrachtungsweise an. Der s-Prozess erzeugt gerade noch Polonium-210, welches mit einer Halbwertszeit von rund 139 Tagen weiter zu stabilem Blei-206 zerfällt. Dieses Nuklid wird aber auch durch den radioaktiven Zerfall von Uran-238 ständig nachgebildet, so dass es sich mit jenem im säkulären Gleichgewicht befindet.

Andere natürlich vorkommende Polonium-Isotope: Neben dem relativ langlebigen Nuklid Po-210 kommen auch Po-214, Po-218 (beide ebenfalls Uran-Radium-Zerfallsreihe, radiogen aus Uran-238 gebildet), Po-211, Po-215 (beide Uran-Actinium-Zerfallsreihe, radiogen aus Uran-235 gebildet), Po-212, Po-216 (beide Thorium-Zerfallsreihe, radiogen aus Thorium-232 bzw. Plutonium-244 gebildet), im Universum vor. Nimmt man auch die bereits bis auf Wismut-209 erloschene Neptunium-Zerfallsreihe als radiogene Poloniumquelle im Universum hinzu, so wäre auch zusätzlich noch Po-213 als natürlich vorkommend zu betrachten.

Die Polonium-Radiogenese
210Po-Genese:
(Uran-Radium-Reihe)

238U → 210Po + 7α + 6β- + 46,29 MeV
(Summe aller Zefälle)

210Po → 206Pb + α + 5,41 MeV
(T½~139 Tage)

211Po-Genese:
(Uran-Actinium-Reihe)

235U → 211Po + 6α + 4β- + 38,08 MeV
(Summe aller Zefälle)

211Po → 207Pb + α + 7,59 MeV
(T½ = 0,6 s)

212Po-Genese:
(Thorium-Reihe)

232Th → 212Po + 5α + 4β- + 33,69 MeV
(Summe aller Zefälle)

212Po → 208Pb + α + 8,95 MeV
(T½ = 2,99•10-7 s)

214Po-Genese:
(Uran-Radium-Reihe)

238U → 214Po + 6α + 4β- + 37,23 MeV
(Summe aller Zefälle)

214Po → 210Pb + α + 7,83 MeV
(T½ = 1,64•10-4 s)

215Po-Genese:
(Uran-Actinium-Reihe)

235U → 215Po + 5α + 2β- + 29,34 MeV
(Summe aller Zefälle)

215Po → 211Pb + α + 7,53 MeV
(T½ = 1,8•10-3 s)

216Po-Genese:
(Thorium-Reihe)

232Th → 216Po + 4α + 2β- + 23,97 MeV
(Summe aller Zefälle)

216Po → 212Pb + α + 6,91 MeV
(T½ = 0,145 s)

218Po-Genese:
(Uran-Radium-Reihe)

238U → 218Po + 5α + 2β- + 26,83 MeV
(Summe aller Zefälle)

99,98%: 218Po → 214Pb + α + 6,11 MeV
0,02%: 218Po → 218At + β- + 0,26 MeV
(T½ = 3,098 min)



Radioaktivität: Polonium ist ein stark radioaktives Element, stärker noch als Radium: 1 mg Po-210 hat eine Aktivität von 166 GBq (=1,66•1011 Zerfälle pro Sekunde). 1 mg Po-209 hat eine Aktivität von 620 MBq (=6,2•108 Zerfällen pro Sekunde). Alle anderen Isotope sind noch stärker radioaktiv und daher in wägbaren Mengen kaum handhabbar.
Vorkommen von Polonium: Aufgrund der geringen Halbwertszeiten auch der langlebigsten Polonium-Isotope sind eigenständige mineralische Vorkommen ausgeschlossen. Polonium kommt immer in Uran-Mineralien vor. Der Gehalt in einer Tonne Uranpechblende (als U3O8) beträgt gerade einmal 71 μg Polonium-210. Der Umstand, dass die Eheleute Curie Polonium-210 aus Uranpechblende in wägbaren Mengen isolierten, ist eine der beachtlichsten analytischen Leistungen der Wissenschaftsgeschichte. Relativ betrachtet, kommt Polonium in der Erdkruste mit durchschnittlich 0,2 pg/kg vor (Rang 87).

Polonium gelangt durch uranhaltige Phosphatdünger auch in die Böden und Nutzpflanzen. Manche Pflanzen akkumulieren es, so auch die Tabakpflanze. Eine Zigarette enthält daher auch Spuren des radioaktiven Elementes. Es wird vermutet, dass der überwiegende Anteil an Lungenkrebserkrankungen von Rauchern auf den Poloniumgehalt im Tabak zurückgeht.

Vorkommen von Polonium:

Uranpechblende[1]

Tabakpflanze[2]


Polonium-Gewinnung: Polonium wird ausschließlich im Kernreaktor aus Wismut erbrütet; eine Isolation der in der Uranpechblende erhaltenen Spurenmengen ist wirtschaftlich nicht vertretbar. Man erhält es durch Exposition von Bi-209 im Kernreaktor durch Neutroneneinfang und anschließenden β--Zerfall:

Darstellung von Po-210 aus Bi-209:

209Bi + n → 210Bi*
210Bi* → 210Po + β- + 5,77 MeV



Auf diese Weise werden pro Jahr etwa 100 g Po-210 erbrütet. Man kann es vom Wismut entweder durch fraktionierende Fällung der Sulfide, oder auch durch Destillation voneinander separieren.

Trennung durch Sulfidfällung: Hierzu wird das Brutmaterial in Salzsäure gelöst, und bei pH 2 durch Einleiten von Schwefelwasserstoff gefällt: Polonium(II)sulfid fällt aus, während das Wismut(III) in Lösung verbleibt. Das Polonium(II)sulfid wird abfiltriert und anschließend mit einem unedleren Metall (z.B. Zink) reduziert.

Trennung durch Destillation: Da Polonium bei 962°C, Wismut erst oberhalb 1500°C siedet, können bei Metalle durch eine Destillation voneinander getrennt werden.

Polonium-Gewinnung

Kernreaktor[3]

Chemie von Polonium: Die Elektronenkonfiguration von Polonium ist [Xe] 6s2 4f14 5d10 6p4. Die stabilste Oxidationsstufe des Poloniums in seinen binären Verbindungen ist bereits +2, wohingegen Po(IV)-Verbindungen deutlich oxidierende Eigenschaften haben. Gegenüber elektronegativen Elementen erreicht Polonium durch Aufnahme von zwei Elektronen den Radon-Edelgas-Zustand. Die resultierenden Polonide sind reduzierend wirkende, salz- oder legierungsartig aufgebaute Verbindungen. Polonium(VI)-Verbindungen sind äußerst starke Oxidationsmittel, stärker als analoge Te(VI)- und Se(VI)-Verbindungen - diese Oxidationsstufe wird auch nur in Verbindung mit Fluor und Sauerstoff erreicht.

Verhalten an der Luft: Polonium ist gegenüber dem Luftsauerstoff beständig. Von seinem Standard-Redoxpotential ist das Metall edler als Silber. Bedingt durch seine Radioaktivität und der damit verbundenen Ionisierung der umgebenden Luft, oxidiert sich Polonium an der Luft jedoch durch radiolytisch aus Sauerstoff gebildetes Ozon langsam zu Poloniumdioxid, welches auch oberhalb von 250°C direkt aus den Elementen entsteht. Dieses ist dem Tellurdioxid isomorph, lässt sich jedoch im Gegensatz zu diesem leicht zu Polonium(II)oxid, PoO, reduzieren.

Po + O2 → PoO2 + 251 kJ


Durch starke Oxidationsmittel ist aus Polonium(IV)oxid das Polonium(VI)oxid (in Form von Polonaten) darstellbar, so beispielsweise in einer alkalischen Oxidationsschmelze (Kaliumhydroxid/Kaliumchlorat):

KClO3 + 3 PoO2 + 6 KOH → 3 K2PoO4 + KCl + 3 H2O↑


Poloniumhydroxide: Die Polonium(hydr)oxide Po(OH)2 und Po(OH)4 sind amphoter, wobei bereits der basische Charakter den sauren überwiegt. Die Zusammensetzung der Po(VI)säure ist nicht bekannt.

Verhalten gegenüber Wasser, Säuren und Laugen: Mit Salz-, Schwefel-, und Salpetersäure bildet Polonium Salze, die Po2+-Ionen enthalten. Dieses Ion (rosarot) ist in wässriger Lösung stabil. Aufgrund radiolytischer Effekte der Alphastrahlung wird Wasser fortwährend zu nascierendem Sauerstoff oxidiert, welcher wiederum Po2+-Ionen zu Po4+-Ionen (gelb) oxidiert. Daher oxidiert sich eine Polonium(II)-Lösung beim Stehenlassen selber langsam zu Polonium(IV). In Laugen ist Polonium dagegen nur schlecht löslich, es bilden hierbei Polonite(II) (wahrscheinlich Po(OH)3-) neben Wasserstoff. Mit Wasser reagiert Polonium aufgrund radiolytischer Sauerstoffentwicklung auch langsam unter Bildung einer Po(OH)2-Schicht an seiner Grenzfläche.

Reaktionen mit den Halogenen: Mit Fluor und Chlor reagiert elementares Polonium (vermutlich) unter Feuererscheinungen zu salzartig aufgebautem PoF2 bzw. PoCl2. Mit Brom und Iod werden ebenfalls exotherm Dihalogenide gebildet.

Polonium(II)sulfid lässt sich durch Versetzen einer Po(II)-Salzlösung mit Sulfid-Ionen als schwarzer, schwerlöslicher Niederschlag erhalten.

Polan (Poloniumwasserstoff) ist eine stark endotherme Verbindung, die bei Raumtemperatur flüssig ist. Da sie aufgrund ihrer Flüchtigkeit (Sdp. 36°C) durch Verdunsten in die Luft gelangen kann, und damit Polonium in sehr leicht resorbierbarer Form birgt, stellt sie einen der stärksten Giftstoffe dar. Chemisch schließt sich Polan an den Tellurwasserstoff an: Seine wässrige Lösung reagiert deutlich sauer, und mit Schwermetallionen können Polonide gefällt werden, die in ihren Strukturen und Eigenschaften den Telluriden meist vergleichbar sind.

Verwendung von Polonium und seinen Verbindungen : Schon aufgrund seiner Giftigkeit hat Polonium kaum technische Verwendungsmöglichkeiten - diese sind auf nukleare Anwendungen beschränkt:
  • Alphastrahlen- und Neutronen-Quellen: Polonium-210 ist ein sehr effektiver Alpha-Strahler, wohingegen jedoch kaum Gammastrahlung von dem Nuklid emittiert wird, da die beim Zerfall freiwerdende Energie fast ausschließlich in Form von Wärme-Energie abgegeben wird. In Verbindung mit geeigneten Nukliden, welche zu (α,n)-Reaktionen befähigt sind (z.B. mit Beryllium-9), wird es in Neutronenquellen verwendet. Solche Neutronenquellen finden als "Zünder" von Kernwaffen Verwendung, um die Kettenreaktion zu initiieren.

  • Nuklidbatterien für Mondfahrzeuge. Po-210 erzeugt pro Gramm 140 Watt an Wärme. Diese kann man in Radionuklidbatterien direkt nutzbar machen, um damit elektrische Energie zu gewinnen. Aufgrund der relativ kurzen Halbwertszeit des Polonium-210 sind solche Batterien nur für kurzfristigere Anwendungen (<140 Tage) geeignet, in diesem Zeitraum jedoch recht leistungsfähig.
Verwendung von Polonium

Radionuklidbatterien[3]

Kernwaffen-Zündung[3]


Sonstiges: Die Toxizität von Polonium: Die letale Dosis an Polonium-210 beträgt etwa 1,7 ng/kg Körpergewicht: Po-210 hat ein effektives Dosisäquivalent von 0,24 μSv/Bq, was bedeutet, dass die letale Dosis (etwa 5 Sv bei einem Menschen mit 75 kg Körpergewicht) von rd. 21 MBq erreicht wird. Dieser Aktivität entspricht eine Menge von 125 ng Po-210. Polonium-210 ist daher eines der am stärksten wirksamen Gifte. Die Giftwirkung beruht dabei nur auf der radiologischen, nicht auf chemischen Wirkungen. Polonium verteilt sich gleichmäßig im gesamten Körper, und wird nur langsam wieder ausgeschieden.

Heimtückisches Mordgift. Der russische Geheimagent Alexander Litvinenko wurde nachweislich mit einer Menge von 5 μg Po-210 umgebracht. Diese Menge entsprach also der etwa 40fachen tödlichen Dosis. Es wird vermutet, dass auch der ehemalige PLO-Führer Yassir Arafat mit Polonium ermordet wurde.
Quellen: [1] Bildquelle: Wikimedia Commons. Urheber: Jedrzej Pelka. Das Bild wurde vom Urheber als gemeinfrei veröffentlicht.

[2] Bildquelle: Wikimedia Commons. Urheber: Jebulon. Das Bild wurde vom Urheber als gemeinfrei veröffentlicht (Creative Common License 1.0). Es darf von jedermann für jedweden Zweck verwendet werden.

[3] Bildquelle: Bild einer US-Behörde, welches in Ausübung des Dienstes angefertig wurde. Solche Bilder sind gemeinfrei, wenn es nicht ausdrücklich anders angegeben ist.