44, Ruthenium (Ru)

lat. ruthenia = Russland

Das Element Ruthenium:

         
  Mn Fe Co  
  Tc Ru Rh  
  Re Os Ir  
         
 
   
   
   
   
   
   
   
Natürliche Entstehung von Ruthenium (Nukleosynthese): Ruthenium wird in Roten Riesen durch s-Prozesse bzw. nach Supernova-Explosionen des Typs Ia durch r-Prozesse gebildet. Ru-96 kann jedoch weder durch s-Prozesse noch durch r-Prozesse gebildet werden. Seine Entstehung lässt sich nur durch γ-Prozess aus Mo-96 erklären.Es hat insgesamt sieben stabile Isotope. Die natürliche Isotopenzusammensetzung (Erde) des Rutheniums besteht aus Ru-102 (31,55%), Ru-104 (18,62%), Ru-101 (17,06%), Ru-99 (12,76%), Ru-100 (12,60%), Ru-96 (5,54%) und Ru-98 (1,87%).

Radioaktivität: Ruthenium-96 und Ruthenium-104 sind nach neueren Erkenntnissen überaus schwach radioaktive Kerne. Ru-96 zerfällt mit doppeltem K-Einfang zu Mo-96; Ru-104 unter doppelter β--Emission zu Pd-104. Daher hat Ruthenium natürlicher Zusammensetzung eine spezifische Aktivität von 5,9•10-4 Bq/kg. Ruthenium strahlt demgemäß 52 Mio. mal schwächer als natürlich zusammengesetztes Kalium.

Die Ruthenium-Synthese:
96Ru-Synthese:
(γ,β-)-Prozess:

96Mo + 2,72 MeV → 96Ru + 2β-

98Ru-Synthese:
(nur s-Prozess):

96Ru + 2n → 98Ru + 18,30 MeV

99Ru-Synthese:
(s- oder r-Prozess:)

98Ru + n → 99Ru + 7,46 MeV
98Mo + n → 99Ru + 2β- + 7,58 MeV

56Fe + 43n → 99Ru + 18β- + 374 MeV

100Ru-Synthese:
(s-Prozess, nicht r-Prozess!):

99Ru + n → 100Ru + 9,67 MeV

101Ru-Synthese:
(s-, r-Prozess:)

100Ru + n → 101Ru + 6,80 MeV
100Mo + n → 101Ru + 2β- + 9,84 MeV

56Fe + 45n → 101Ru + 18β- + 391 MeV

102Ru-Synthese:
(s-, r-Prozess:)

101Ru + n → 102Ru + 9,22 MeV

56Fe + 46n → 102Ru + 18β- + 400 MeV

104Ru-Synthese:
(s-, r-Prozess):

102Ru + 2n → 104Ru + 15,13 MeV

56Fe + 48n → 104Ru + 18β- + 415 MeV

Vorkommen von Ruthenium: Ruthenium ist im Universum mit durchschnittlich 3 μg/kg ungefähr so häufig wie Zinn oder viele der Lanthanoiden (Rang 50). Am Gesamtaufbau der Erde ist das Element mit durchschnittlich 1,18 mg/kg beteiligt, wobei sich jedoch der weitaus größte Anteil im Erdkern befindet (Rang 38). In der Erdkruste ist Ruthenium gleich aller anderen Platinmetallen sehr selten zu finden, es ist mit 1 μg/kg sogar das seltenste Platinmetall (Rang 79), und das drittseltenste nichtradioaktive Metall.

Seltene Platinmetalle: Die extreme Abreicherung in der Erdkruste ist mit der Entstehungsgeschichte der Erde zu erklären: Die Platinmetalle gehen keine stabilen Verbindungen mit Sauerstoff ein, so dass sie entweder elementar oder in sulfidischer Form in der noch flüssigen Erde vorgelegen haben mussten. Da die Erde zum größten Teil aus Eisen, Silicium, Schwefel und Sauerstoff besteht, bildeten sich in der Frühphase ihrer Entstehung zwei flüssige Phasen: Eine leichtere oxidisch-silicatische Phase, die überwiegend aus Siliciumdioxid, Eisenoxid und Aluminiumoxid bestand, sowie eine darunterliegende, sulfidisch-metallische Phase, die überwiegend aus Eisen und Nickel bestand. In der Silicatphase reicherten sich alle Elemente an, die mit Sauerstoff stabile Verbindungen eingingen oder aber in Form von Kat- oder Anionen vorlagen (Halogene, Alkalimetalle usw.). In der Sulfid-Metall-Phase reicherten sich alle Metalle an, die nicht oxidiert worden waren. Dies waren bevorzugt die Platinmetalle, sowie Gold, Silber und Quecksilber. Daher finden sich diese Elemente heute in der Erdkruste nur in relativ geringer Konzentration, während der Erdkern weitaus größere Mengen enthält. Im Allgemeinen sind diese Elemente - im Gegensatz zu allen anderen Metallen - auch gegenüber ihrem Vorkommen im Universum auf der Erdkruste abgereichert.

So findet sich Ruthenium meist gediegen in Vergesellschaftung der anderen Platinmetalle bzw. auch in Erzen von Eisen, Cobalt oder Nickel in geringen Konzentrationen. Es gibt aber auch ein seltenes eigenständiges Rutheniummineral, den Laurit (RuS2). Er kommt in meist mikroskopisch kleinen Kristallen vor. Er enthält neben Ruthenium hauptsächlich auch Eisen und Osmium, daneben aber auch Rhodium, Iridium und Kupfer.


Gediegen Platin[2]
Ruthenium-Gewinnung: Ruthenium wird durch Separation aus gediegen vorkommenden Platinmetall-Nuggets bzw. durch Aufbereitung von Anodenschlämmen gewonnen.

Trennungsgang der Platinmetalle. Zunächst wird das platin- und edelmetallhaltige Material in kaltem Königswasser gelöst. Dabei gehen Palladium, Platin und Gold in Lösung, während Ruthenium, Osmium, Rhodium, Iridium und Silber (als Silberchlorid) im Rückstand verbleiben. Aus dieser Lösung werden nacheinander durch Zugabe von Eisen(II)chlorid das Gold, durch Zugabe von Ammoniak-Lösung das Platin als Ammoniumhexachloroplatinat(IV) und das Palladium durch Zugabe von Salzsäure als Diamminpalladiumchlorid ausgefällt. Platin und Palladium lassen sich aus den Verbindungen entweder durch thermische Zersetzung oder mittels Reduktion gewinnen.

Der in kaltem Königswasser unlösliche Rückstand wird separiert und zusammen mit Blei(II)carbonat erhitzt und in konzentrierter Salpetersäure aufgenommen. Hierbei geht nun das Silber als Silbernitrat in Lösung. Nach Abfriltrieren und Trocknen des Rückstandes schmilzt man diesen zusammen mit Natriumhydrogensulfat auf, und laugt den entstehenden Kuchen mit Wasser aus. Dabei geht nun das Rhodium als Rhodium(III)sulfat in Lösung. Dieses wird durch Filtrieren separiert und durch weitere Umsetzungen wird aus der noch unreinen Lösung elementares Rhodium gewonnen (siehe bei Rhodium).

Der Rückstand des Hydrogensulfat-Aufschlusses wird weiter mit Natriumperoxid aufgeschlossen. Hierbei werden nun die enthaltenen ruthenium- und osmiumhaltigen Rückstände zu Ruthenaten und Osmiaten oxidiert, welche sich im Gegensatz zu ebenfalls gebildetem Iridium(IV)oxid in Wasser leicht lösen. Das Iridium(IV)oxid wird abfiltriert, und durch Glühen im Wasserstoffstrom zu elementarem Iridium umgesetzt.

Die ruthenium- und osmiumhaltige Lösung wird eingedampft und unter Zugabe von Chlorgas geröstet. Dabei destillieren die flüchtigen Oxide RuO4 und OsO4 ab. Das Destillat wird in Salzsäure aufgenommen, wodurch das Ruthenium als H3RuCl3 in Lösung geht, anschließendes Aufnehmen des OsO4 in alkoholischer Natronlauge. Hierdurch bildet sich Na2OsO2(OH)4. Die beiden, nun getrennt voneinander vorliegenden Komplexverbindungen setzt man zunächst mit Ammoniak um, und reduziert dann die dabei ausgefällten, getrockneten Niederschläge mit Wasserstoff zu den Metallen Osmium und Ruthenium.[3]

Bilder zur Ruthenium-Gewinnung

Geätztes Rutheniumblech[4]

Schmelzperle aus Ruthenium[5]

Ruthenium in Pulverform[6]
Chemie von Ruthenium: Ruthenium betätigt bevorzugt die Oxidationsstufe +3. Es tritt jedoch in allen Oxidationsstufen zwischen -2 bis +8 auf.

Verhalten gegenüber Luft: Ruthenium wird bei Raumtemperatur von Luft nicht angegriffen. Beim Erhitzen auf über 500°C überzieht sich das kompakte Metall mit einer Schicht aus Ruthenium(IV)oxid, RuO2. Im Gegensatz zum homologen Osmium reagiert es jedoch nur oberhalb 700°C unter erhöhtem Druck zum Tetraoxid RuO4.

Ru + O2 → RuO2 + 305 kJ


Verhalten gegenüber Wasser, Säuren und Laugen: Gegenüber Wasser oder Wasserdampf ist Ruthenium vollkommen beständig. Von nichtoxidierenden und oxidierenden Säuren einschließlich Königswasser wird das Metall bei Raumtemperatur nicht angegriffen. Königswasser oxidiert es jedoch oberhalb 100°C (unter Druck) langsam zu Ruthenium(IV)oxid und Ruthenium(III)nitrat. Gegenüber wässrigen Alkalien ist Ruthenium ebenfalls beständig; von Alkalischmelzen wird es jedoch schnell angegriffen.

Reaktionen mit Halogenen und Schwefel. Gegenüber Fluor, Chlor und Brom ist Ruthenium unbeständig; es reagiert rasch zu Ruthenium(VI)fluorid, Ruthenium(III)chlorid und -bromid. Auch gegenüber Schwefel ist Ruthenium nicht sehr beständig, so reagiert Rutheniumpulver mit geschmolzenem Schwefel zu RuS bzw. Ru2S3.

Wässrige Chemie. Wie sein leichteres homologes Eisen bildet auch Ruthenium Hexaaqua-Ionen der Oxidationsstufen +2 und +3. Dabei sind die rosafarbenen Lösungen mit Ru(H2O)2+-Ionen jedoch stärkere Reduktionsmittel als die Eisen(II)-Lösungen. Sie oxidieren sich mit dem Luftsauerstoff oder mit dem Wasser unter Wasserstoffentwicklung zu Ru(H2O)3+. Gelbe Ru3+-Ionen sind recht oxidations- und reduktionsbeständig, so dass eine ausgeprägte Ru(III)-Chemie aus binären und komplexen Verbindungen bekannt ist. Es gibt zahlreiche Analogien zu entsprechenden Eisen(III)-Verbindungen. Leichter als diese lassen sich Ru(III)-Verbindungen zu Ru(VI)-Verbindungen oxidieren. So ist das Ruthenat(VI)-Ion, RuO42-, dem Ferrat(VI)-Ion isomorph. Daneben existiert jedoch auch eine Ortho-Form des Ions, welches sich als RuO3(OH)22- formulieren lässt. Durch noch stärkere Oxidation gelangt man zu den Perruthenaten(VII), die den Permanganaten oder Pertechnetaten isomorph sind. Es entsteht, wenn man Ruthenium mit Kaliumhydroxid und Kaliumnitrat aufschmilzt (bei der analogen Reaktion des Eisens entsteht Kaliumferrat, mit Fe(VI)! ).

Komplexchemie: Ruthenium bildet viele Komplexe, in denen es alle Oxidationsstufen zwischen -2 und +8 betätigen kann. Dabei sind gerade jene mit Ru(II) und Ru(III) denen des Eisens meist sehr ähnlich: So sind die Hexacyanidoruthenatkomplexe, Ru(CN)63-/4-, nicht nur gleich strukturiert wie die Hexacyanidoferrate, sie zeigen auch ähliche Reaktionen: Mit Ru2+/3+ genau wie mit Fe2+/3+ ergeben sich schwerlösliche, intensiv gefärbte Niederschläge, die dem Turnbulls-Blau bzw. dem Berliner Blau entsprechen. Hexacyanidoruthenat(II)-Ionen sind jedoch farblos und Hexacyanidoruthenat(III)-Ionen gelb gefärbt. Die Niederschläge, die sich aus beiden mit Fe(II,III)- oder Ru(II,III)-Ionen ergeben, haben rote Färbungen. Ruthenium bildet auch mit Halogeniden und anderen Pseudohalogeniden zahlreiche Komplexe, ebenso mit Ammoniak bzw. dessen organischen Derivaten. Auch ein, dem Prussid (Fe(CN)5(NO)) analoger Komplex ist bekannt.

Ruthenium-Verbindungen.

Ruthenium(III)chlorid[1]
RuCl3•6H2O

Tris(bipyridin)ruthenium(II)chlorid[1]
[Ru(C5H4N)6]Cl2•6H2O
Verwendung von Ruthenium und seinen Verbindungen : Das Ruthenium hat nur einige wenige, sehr spezifische Verwendungsmöglichkeiten. Wo möglich wird es durch billigere Materialen ersetzt.
  • Ammoniaksynthese. Hier kann Ruthenium genau wie Eisen und Osmium als hochwirksamer Katalysator zum Umsatz von Wasserstoff und Stickstoff zu Ammoniak eingesetzt werden.

  • Legierungsbestandteil von Platinmetalllegierungen. Ruthenium erhöht die Härte eine Platin-Palladium-Legierung. Zur Fertigung höchstwertiger Füllfederhalter-Spitzen macht man von solchen Legierungen Gebrauch.

  • Festplatten-Schreibköpfe. Ruthenium spielt seit dem Jahr 2006 vor allem beim so genannten Perpendicular Recording, ein Verfahren zur Speicherung von Daten auf Festplatten, eine Rolle. Hierbei wird eine dünne Schicht Ruthenium als Speicherschicht erzeugt, die weitere aus einer Cobalt-Chrom-Platin-Legierung von einer weichmagnetischen Unterschicht trennt. Der Grund dafür, dass Ruthenium genutzt wird, liegt in seiner hexagonalen Kristallstruktur, die eine ähnliche Gitterkonstante wie die verwendete Speicherschicht-Legierung besitzt.[7]
Verwendung von Ruthenium

Spitze eines Füllfederhalters[8]

Festplatte[9]

Ammoniaksynthese[10]
Biologische Bedeutung von Ruthenium: Ruthenium hat zwar keine biologische Bedeutung, kann aber in einigen Enzymen das Eisen als aktives Zentrum ersetzen.
Quellen: [1] Bildquelle: Wikimedia Commons. Urheber: Benjah-bmm27. Das Bild ist von seinem Urheber als Public Domain veröffentlicht worden. Dies gilt weltweit.

[2] Bildquelle: Wikimedia Commons. Urheber: Aram Dulyan. Das Bild ist von seinem Urheber als Public Domain veröffentlicht worden. Dies gilt weltweit.

[3] Holleman-Wiberg, Lehrbuch der anorganischen Chemie. Trennung der Platinmetalle, S. 1667, 1696 und 1722f.

[4] Bildquelle: Wikimedia Commons. Urheber: Jurii. Das Bild ist unter den Bedingungen der Creative Commons Lizenz freigegeben.

[5] Bildquelle: Wikimedia Commons. Urheber: Tomihahndorf. Das Bild ist von seinem Urheber als Public Domain veröffentlicht worden. Dies gilt weltweit.

[6] Bildquelle: Wikimedia Commons. Urheber: Materialscientist. Das Bild ist unter den Bedingungen der Creative Commons Lizenz freigegeben.

[7] Wikipedia. Artikel: Ruthenium; Absatz: Verwendung.

[8] Bildquelle: Wikimedia Commons. Urheber: Mr. Checker. Das Bild ist unter den Bedingungen der Creative Commons Lizenz freigegeben.

[9] Bildquelle: Wikimedia Commons. Urheber: Tschaensky. Das Bild ist unter den Bedingungen der Creative Commons Lizenz freigegeben.

[10] Bildquelle: Wikimedia Commons. Urheber: Arnoldius. Das Bild ist unter den Bedingungen der Creative Commons Lizenz freigegeben.